Hochsensibilität

„Wenn man sich entscheidet, in der Gesellschaft, in der wir nun einmal alle zusammen leben, weiterhin normal mitzuspielen, dann läuft man als Hochsensibler Gefahr, dabei unterzugehen“.
(Susan Marletta-Hart)

Das Gefühl nicht richtig zu sein

Kennen Sie seit frühen Tagen in Ihrem Leben das Gefühl…

…irgendwie anders zu sein als die anderen?
…eher ein Außenseiter zu sein?
…nicht richtig zu sein?

Sind Ihnen folgende Sätze schon häufiger begegnet:

„Bist du wieder empfindlich…“
„Reiß’ dich mal zusammen!“
„Leg dir mal ein dickeres Fell zu!“

Fühlen Sie sich durch solche Aussagen verletzt, nicht gesehen, unverstanden, fehl am Platz?

Dann mag sich die Erklärung dafür in einem ganz besonderen Persönlichkeitsmerkmal finden, der Hochsensibilität. Benannt und beforscht wurde dieses Phänomen von der US-Psychologin und Psychotherapeutin Dr. phil. Elaine N. Aron. Ihren Untersuchungen zufolge sind insgesamt rund 20% der Menschen hochsensibel, Frauen wie auch Männer sind gleichermaßen betroffen.

Ein wertvolles Merkmal

Hochsensibilität ist keine Krankheit, sondern ein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal, das sich neurophysiologisch in einer besonders tiefen Reizverarbeitung im Nervensystem begründet. Gegenüber Normalsensiblen werden bei hochsensiblen Menschen eintreffende Reize intensiver und ausführlicher verarbeitet. Dies hat intensivere Gefühle zur Folge, die nicht nur tiefer empfunden werden, sondern auch mehr Zeit benötigen bis sie wieder abklingen.

Ein Negativ-Beispiel aus dem Alltag: kommt es zu einer Begegnung mit einem schroffen, unfreundlichen Menschen, so kann dies im hochsensiblen Menschen unmittelbar ein unbehagliches, schmerzliches Gefühl auslösen, welches noch viele Stunden anhält und typischerweise innerlich die Frage auf den Plan ruft: „Was habe ich dem nur getan?!“

Andererseits: genießt ein hochsensibler Mensch mit allen Sinnen bei voller Achtsamkeit einen Sonnenuntergang, so kann dieses Erlebnis tiefe, wie anhaltende Empfindungen freisetzen, nun allerdings angenehme, berührende Gefühle.

Hochsensible Menschen fühlen sich schneller von Reizen überflutet, brauchen häufiger Pausen und vor allem reizfreie Zeiten der Stille, um sich zu regenerieren. Die kontinuierlich steigende Hektik und Geschwindigkeit unserer Welt wird für Hochsensible zur wahren Herausforderung. Sie nehmen den Alltag oft als einen kräftezehrenden, erschöpfenden Kampf wahr, ein stetiges Ankämpfen gegen die nicht enden wollende Reizflut. Ein hochsensibler Mensch sollte lernen, seine persönlichen Grenzen wahrzunehmen und eine lebensförderliche Selbstsorge zu praktizieren.

Hochsensibilität im Alltag

Die Ausprägung typischer Merkmale ist bei hochsensiblen Menschen unterschiedlich stark und lässt sich wie folgt skizzieren:

  • Sehr detailreiche Wahrnehmung (Sehen, Hören, Schmecken, Riechen, Fühlen)
  • Langes emotionales Nachklingen erlebter Situationen
  • Starke Beeinflussung durch Stimmungen anderer
    Emotionales Überreagieren
  • Konfliktscheue und zugleich sehr hohes Harmoniebedürfnis
  • Hohes Pflichtbewusstsein, Perfektionismus und Gewissenhaftigkeit
  • Sehr starkes Einfühlungsvermögen
  • Hohe Betroffenheit bei Leid
  • Schwierigkeiten Entscheidungen zu treffen
  • Ausgeprägte Intuition
  • Wunsch nach „reizfreien“ Zeiten und Rückzug um sich zu regenerieren
  • Schnelles „sich verlieben“ bedingt durch tiefere Verarbeitung von Begegnungen

Bürde oder Gabe?

Ein hochsensibler Mensch bewertet dieses Persönlichkeitsmerkmal meist als Bürde, Belastung, Handikap. Diese Sichtweise kann zum Nährboden für depressive Krisen werden, da man als Betroffener das Gefühl hat nicht mithalten zu können oder nicht gut genug zu sein. Wie alle unveränderlichen Dinge des Lebens, haben wir jedoch Entscheidungsfreiheit darüber, wie wir solche Dinge tragen und mit ihnen umgehen wollen, was sich daraus Wertvolles gestalten lässt.

Ein zentraler erster Schritt besteht darin, dieses Phänomen als solches aufzuspüren und zu erkennen. Sobald man diesem gefühlten „anders sein“ einen Namen geben, es einordnen kann, stellen sich bereits erste Entlastung und Erleichterung ein. Eine typische Aussage Betroffener: „Endlich hat es einen Namen. Und nun weiß ich, ich bin nicht falsch oder anders, sondern einfach nur hochsensibel.“ An genau dieser Stelle kann sich die Bürde in ein Geschenk verwandeln lassen.

Gabe und Geschenk zugleich!

Treffen Sie die Entscheidung, Ihre Hochsensibilität als Gabe anzusehen, so können Sie deren Vorteile verwirklichen und sie als wesentliche Bausteine in Ihrem Leben verankern.

Das Geschenk der Hochsensibilität beinhaltet unter anderem eine detailreiche, sehr fein abgestimmte Wahrnehmung, hohe Sorgfalt, eine stark ausgeprägte Intuition und Kreativität, ein besonderes Einfühlungsvermögen, ein großes Bedürfnis nach sinnerfülltem Leben und ebensolchen Begegnungen. Die Herausforderung besteht darin, den ganz persönlichen Lebensstil zu finden, der den Bedürfnissen gerecht wird, die die Hochsensibilität erfordert. Es geht letztlich um die Gestaltung von Lebensqualität innerhalb des Rahmens, der durch Außenwelt und Gesellschaft vorgegeben ist.

Ihre Anfrage an mich

Adresse

Carsten Kärcher
Heilpraktiker für Psychotherapie

Scheffelstr. 83
68723 Schwetzingen
Telefon 0172 / 879 1175

Newsletter-Abo